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06. 02. 2012 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
Von Prof. Yin Tongsheng / Beijing
Konfuzius sagte vor mehr als 2000 Jahren: "Ist es etwa keine Freude, wenn Freunde von weither zu Besuch kommen?" Es ist selbstverst?ndlich eine gro?e Freude für uns Chinesen, dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel China ihren fünften Staatsbesuch abstattete. Seit ihrem Machtantritt im Jahre 2005 unternahm sie fast jedes Jahr eine Reise nach China, Besuche, die bislang wohl als gew?hnliche Routinebesuche bezeichnet werden konnten.
Ihr letzter Besuch fand aber unter ungew?hnlichen Vorzeichen statt: Kurz nach dem unter dem Schatten der W?hrungskrise stattfindenden wichtigen EU-Gipfel in Brüssel, gleichzeitig waren es die erste gro?e Auslandsreise der Kanzlerin au?erhalb der EU und der erste China-Besuch einer ausl?ndischen Regierungsdelegation im Jahr 2012, auch war das chinesische Frühlingsfest, mit dem das Jahr des Drachens beginnt, ebenfalls gerade vorbei.
I. Werbung um Chinas Vertrauen und verst?rktes Engagement für EU
Seit 2010 erlebt die EU eine nie da gewesene Schuldenkrise. Sie würgt die Konjunktur ab, l?sst den Euro auf niedrigem Niveau bleiben, dessen Glaubwürdigkeit leidet unter der ?No-Bailout-Klausel? und dem Aufkaufen der Staatspapiere durch die EZB, die Risikopr?mien steigen, die Staatsfinanzen lassen sich nur schwer konsolidieren, gro?e Ansteckungsrisiken greifen um sich, dazu kommen Machtwechsel und politische Unruhen. Kurz: die Euro-Zone droht zusammenzubrechen. Angesichts dieser prek?ren Situation bekennt sich Frau Merkel: Scheitert der Euro, scheitert Europa, scheitert Europa, scheitert Deutschland. So bemüht sich Deutschland als die wichtigste Wirtschaftsmacht der EU um eine Vertrags?nderung, eine Stabilit?tsunion, eine Fiskalunion mit automatisch greifenden sch?rferen Sanktionen gegen Haushaltssünder und einer strengeren Aufsicht über die Etatpl?ne einzelner Euro-L?nder, heute auch um mehr Wachstum und Besch?ftigung, vor allem Jugendbesch?ftigung. Nach dem Fiskalpakt soll der Euro-Rettungsschirm ESM mit einer Kapazit?t von 500 Milliarden Euro ausgestattet werden.
Anl?sslich ihres China-Besuchs gab sich Frau Merkel aber offensichtlich gro?e Mühe, positive Dinge hervorzuheben und negative herunterzuspielen, indem sie ausführte zum Euro: "Wir haben es also nicht mit einer Krise unserer W?hrung zu tun, sondern wir haben es mit einer Schuldenkrise und einer Frage der Wettbewerbsf?higkeit zu tun", zur Schuldenkrise: "eine hohe Staatsverschuldung ist keineswegs ein rein europ?isches Ph?nomen, sondern es gibt sie auch in anderen L?ndern – zum Teil sogar mit noch h?heren Defiziten", zur EU: "dabei ist die Europ?ische Union und sind insbesondere die Staaten, die den Euro haben, in den letzten zwei Jahren erheblich vorangekommen". Sie sei überzeugt, dass die EU mit ihren Pl?nen für mehr Haushaltsdisziplin und bessere Wettbewerbsf?higkeit den richtigen Weg eingeschlagen habe. All diese Zitate lassen vermuten, dass Frau Merkel mit Energie versuchte, Chinas Vertrauen in den Euro und die EU zu werben, um Voraussetzungen für ein verst?rktes Engagement Chinas zu schaffen.
China unterstützt seit eh und je die europ?ische Integration, die europ?ische Krisenbek?mpfung sowie die Stabilit?t des Euro und will darum auf keinen Fall die EU in der Krisenzeit im Stich lassen, sieht folgerichtig der EU-Schuldenkrise auch nicht tatenlos zu. Es verst?rkt seine Investition in der EU und vergr??ert seinen Handelsverkehr mit der EU. Premier Wen Jiabao brachte am 2.2.2012 auf der Pressekonferenz ganz deutlich zum Ausdruck: China erw?ge, dem IWF mehr Geld zu überlassen, und prüfe die M?glichkeit, mit dem EU-Rettungsschirm zusammenzuarbeiten, betonte aber "der Schlüssel zur Bew?ltigung der Schuldenkrise sind eigene Anstrengungen Europas". Europa müsse die Schulden zurückfahren und Strukturreformen umsetzen. Eine L?sung für die Krise sei "dringend" erforderlich. "Die EU-Schuldenl?nder müssen schmerzhafte Entscheidungen treffen und ihre Hausaufgaben machen." Es gilt hier also ?Hilfe zur Selbsthilfe“.
Dabei sei es auch erw?hnt, dass die Wirtschaftsbeziehung keine Einbahnstra?e ist. Frau Merkel hat versprochen, Deutschland werde die EU dazu bewegen, den vollst?ndigen Marktwirtschaftsstatus Chinas anzuerkennen. Wir sind sehr gespannt, wann dieses Versprechen realisiert werden wird, hoffentlich nicht erst im Jahre 2016, wo dieser automatisch rechtm??ig von allen anerkannt werden soll. Wir sind der überzeugung, dass jeder sich sch?men würde, würde er von einer unfairen und nicht objektiven Betrachtung der Leistungen beim Aufbau eines marktwirtschaftlichen Systems in China profitieren.
II. Werbung um Chinas Verst?ndnis für die deutsche Position zur Krisenbek?mpfung
Im Laufe der Schuldenkrise wird die Haltung Deutschlands, vor allem die fehlende klare Strategie Merkels, als einer "geschrumpften europ?ischen Figur" immer sch?rfer angeprangert. Da immer mehr Euro-Staaten bedrohlich hohe Zinsen für ihre Kredite zahlen müssen, ist der Druck auf Deutschland zu einem Befreiungsschlag deutlich h?her geworden. Doch alle Rufe nach einer Kreditgarantie durch die EZB und nach Euro-Bonds lehnt Deutschland energisch ab. Dies kommt den meisten wirklich ungew?hnlich vor.
Ungew?hnlich stark kommt insbesondere die scharfe Kritik aus Frankreich, einem der beiden Motoren für die EU: "Das Gespenst eines deutschen Europa steht wieder auf", "die Frage des deutschen Nationalismus kocht wieder hoch durch die Bismarcksche Politik von Madame Merkel", die Kanzlerin breche eine Konfrontation vom Zaun, "um ihre Dominanz zu zeigen", "die Gefahr eines Kollaps der Eurozone ist derzeit gr??er als die Inflationsgefahr."
Ungew?hnlich wird Merkels Politik auch von vielen deutschen eminenten Politikern kritisiert. Nach Einsch?tzung des Altkanzlers Helmut Schmidt z.B. stehe Deutschland wegen seines Managements in der Euro-Schuldenkrise zunehmend allein da. "Merkel hat Deutschland mit ihrer Politik in Europa isoliert". Auch warnte der Ex-Au?enminister Joschka Fischer vor einem Scheitern Europas: "Wir müssen sehr aufpassen, dass wir Europa nicht verlieren. Das Risiko ist gegenw?rtig sehr gro?. Den Kontinent Europa wird es auch ohne den Euro geben, aber als politisch-kulturelles Projekt ist es dann tot."
Besonders kritisiert wurde die Rede von Unions-Fraktionschef Volker Kauder, der sich darüber erfreut zeigte, dass bei der Haushaltskonsolidierung "auf einmal in Europa deutsch gesprochen" werde. Selbst die Bundeskanzlerin hatte zumindest bis zum Sommer gelegentlich dem Populismus-Reflex nachgegeben, als sie etwa mahnte, "dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen" sollten in der Euro-Zone – ein Seitenhieb auf die Probleml?nder. Seit dem Sommer verzichtet Merkel erst auf derartige "Spitzen". Ihr Glaubensbekenntnis lautet nun "mehr Europa".
Obwohl die Bundeskanzlerin nun sehr bestrebt ist, ?ngste der Partnerl?nder vor einer deutschen Dominanz und vor einem deutschen Alleingang zu zerstreuen, lassen sie aber offensichtlich nicht nach.
Es geht hier vor allem um die Meinungsverschiedenheit über die Strategie und Taktik der Krisenbek?mpfung im Hinblick auf Ursachen und Symptome. Deutschland legt vielmehr Wert auf die Ursachen als Symptome und will keinen gro?en Geldbetrag riskieren.
Die Symptome sind eindeutig: Hochverschuldung und Liquidit?tsdefizit. Die Ursachen k?nnen sich wiederum in direkte und tiefgreifende unterscheiden. Die direkten Ursachen bestehen vor allem in den hohen sozialen Leistungen, in der Weltfinanzkrise sowie deren Krisenbek?mpfungsma?nahmen und der permanenten Herabstufung der Bonit?t mehrerer Euro-L?nder durch die drei US-Ratingagenturen. Dagegen sieht man aber tieferliegende Ursachen vornehmlich in Strukturproblemen und Spannungsfeldern zwischen W?hrungs- und Finanzpolitik, im Nord-Süd-Gef?lle, in den Produktivkr?ften und Produktionsverh?ltnissen, in Politik und Wirtschaft, Wachstum und Stabilit?t, Einnahmen und Ausgaben, der Neuverschuldung sowie bestehenden Verbindlichkeiten der Mitgliedsstaaten und einer nicht einheitlicher W?hrungspolitik. All diese Ursachen haben die Finanzen einiger Staaten in eine bedrohliche Schieflage gebracht. Betroffen waren Staaten mit schlechten Wirtschaftsaussichten, besonders leidgeprüftem Bankensektor oder anderen strukturellen Problemen.
Angesichts der kritischen Stimmen war Frau Merkel auch bemüht, Chinas Verst?ndnis dazu zu werben. So gab sie wiederholt zu erkennen, dass Deutschland mit allen EU-L?ndern, allen Euro-L?ndern solidarisch gegen die Krise und für die Zukunft k?mpft: "Ein Land wie Deutschland hat erheblich vom Euro profitiert und kann als Exportnation im Euro-Raum und der Europ?ischen Union mit einer gemeinsamen W?hrung natürlich sehr viel besser agieren", "eine gemeinsame W?hrung muss man auch gemeinsam verteidigen", "das wird aber bedeuten, dass wir in Zukunft ein Mehr an Europa brauchen – mehr Koh?renz unserer Wirtschaftspolitiken und mehr Koh?renz unserer Innovationsinitiativen. Deshalb wird Europa in den n?chsten Jahren enger zusammenrücken. Deutschland wird sich hierbei ganz besonders engagieren. Man kann also sagen: Europa w?chst in der Krise zusammen."
Dieser Erkl?rung ist eine gro?e Bedeutung beizumessen, denn Dominanz plus Alleingang würden eine verh?ngnisvolle Gefahr für Deutschland bedeuten. Dies belegen sowohl positive als auch negative Beispiele in der deutschen Geschichte. Zur Deutschlands Rolle bei der Krisenbek?mpfung m?chte ich den deutschen Politikern ein berühmtes chinesisches Gedicht von Mao Zedong mit dem Titel ?Ode an die Winterkirsche“ empfehlen.
Mit Wind und Regen ging der Frühling fort,
Wirbelnder Schnee empf?ngt des Frühlings Wiederkehr.
Lang schon sind Felsen und Klüfte tausend Fu? unter Eis,
Doch es gibt sie: Blühender Zweige Sch?nheit.
Sch?nheit, will nicht den Frühling für sich allein,
Will nur vom Kommen des Frühlings künden.
Sind dann die Berge übers?t mit Blumen,
Wird sie in ihrer Mitte blühn und l?cheln.
Quelle: www.faawt.cn
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