von Wolfgang Kuhn, Beijing

Peter Anders, Leiter des Goethe-Instituts in Beijing und L?nderdirektor China über die Qualit?t der Zeit, künstlerischen Anspruch und kulturelle Referenzpunkte.

Peter Anders (Foto von Wang Ran)

China.org.cn: Herr Anders, Sie haben Ihr Amt in Beijing im Mai 2011 angetreten. Wie haben Sie Ihr erstes Dienstjahr im Zeitraffer erlebt?

Peter Anders: Das ist eine interessante Frage, denn der Begriff und die Qualit?t der Zeit sind in China anders als in anderen L?ndern. Ich bin erstaunt über die Intensit?t, mit der Zeit hier getaktet wird, sie erkl?rt auch vieles in Hinsicht auf die oft zitierte Dynamik in diesem Land. Durch den Druck muss man sich seine Energie schon sehr genau einteilen, auch wenn es natürlich gro?e Ungleichzeitigkeiten zwischen Stadt und Land gibt. Bemerkenswert finde ich au?erdem auch, dass in China viel mehr über pers?nliche Kontakte l?uft und weniger über das Goethe-Institut als profilierte Institution mit einem gewissen Standing. Das hei?t, man muss ein dichtes Netzwerk an Beziehungen pflegen und nutzen, um Projekte und Pl?ne zu realisieren.

Wie wird deutsche Kultur aus Ihrer Sicht in China wahrgenommen?

Wenn man Kultur etwas weiter fasst als Zivilisation, schlie?t das auch die Technik mit ein, und da hat Deutschland mit seinen bekannten Marken wie etwa bei den Autos ein ganz starkes Standing. Ein konzentrierter Kulturbegriff im Sinne von zwischenmenschlichen Beziehungen und ihrer Hervorbringungen hat in China vor allem durch die klassische Musik einen hohen Stellenwert. Allgemein sind wir oft überrascht, wie gut Chinesen über Deutschland informiert sind. Dennoch sollte man sich in so einem gro?en Land nicht übersch?tzen. Es gibt ein Interesse an Deutschland, aber auch an anderen europ?ischen L?ndern wie Frankreich oder Spanien. Da liegen wir gut im Mittelfeld.

Wie sch?tzen Sie die Beziehungen zwischen Deutschland und China allgemein ein?

Ich glaube, dass wir Deutsche und Chinesen uns gut verstehen auf einer sehr pragmatischen Ebene. Den Pragmatismus der Chinesen, den mag ich sehr, und auf dieser Ebene k?nnen wir denke ich gut zusammen arbeiten. Natürlich reden wir hier von Stereotypen, aber man sagt den Deutschen ja einen gewissen Flei?, Ehrgeiz und Pragmatismus nach. Der trifft hier wohl auf Interesse und Resonanz, was auch für die, die technische Pr?zision gilt, in der sich die Chinesen wiederfinden.

Das Frühjahrsprogramm des Goethe-Instituts war mit Hilla Becher, Lotte Reiniger und Karlheinz Stockhausen ebenso vielf?ltig wie hochkar?tig. Wie anspruchsvoll kann man denn sein, wenn es darum geht, deutsche Kunst im Ausland popul?r zu machen?

Meines Erachtens nicht anspruchsvoll genug. Als Kulturinstitution sind wir bestrebt, Klischees und Stereotypen aufzubrechen. Unser Interesse ist es, eine Komplexit?t dieses Landes zu zeigen, und das gelingt eben durch solche Programme, die ich im übrigen für gar nicht so anspruchsvoll halte. Es sind eher Referenzpunkte der deutschen Kulturgeschichte. Selbstverst?ndlich haben wir jedoch den Anspruch, über das Niveau von Hochglanzmagazinen hinauszugehen.